Thomas Kastura
Scotch as Scotch can
26 Whisky-Tastings mit mörderischem Abgang


Whisky James BondWhisky - flüssiges Gold mit uralter Tradition, mythenumrankt und inspirierend für Leser wie für Schriftsteller. Ob rauchig, würzig oder weich – der Geschmacksreichtum  des „Lebenswassers" (uisge beatha) begeistert seit jeher Genießer in aller Welt. 27 Krimiautoren haben tief in die Flasche geschaut und spannende Geschichten rund um den Whisky destilliert. Jede der Geschichten hat eine berühmte Whiskymarke zum Thema. Da wird „Der letzte Ardbeg" getrunken, es geht „Durch die Nacht mit Glenfarclas" und auf den Spuren von James Bond sogar ins „Casino Fatale" in den schottischen Highlands. Ein Fest für jeden Whiskykenner, ein wärmendes kriminelles Vergnügen für stürmische Herbstabende!

Die Autoren: Jürgen Alberts, Richard Birkefeld, Nina George, Brigitte Glaser, Peter Godazgar, Carsten Sebastian Henn, Tessa Korber, Tatjana Kruse, Sandra Lüpkes, Karr & Wehner und viele andere mehr.



Mit dabei:
Karr & Wehner
Casino Fatale oder: Operation Dalmoral

Britney Bitch reizt es aus

Nachdem Britney Bitch eine Woche damit verbracht hatte, in der Zentrale die Berichte der Feldagenten in der Karibik auf Unstimmigkeiten zu prüfen, war sie froh, dass F sie für den Einsatz in Glenmoral abstellte. Denn das bedeutete, dass sie ihrem eintönigen Büro bei Universal Exports am Trafalgar Square entkam. Es waren zwar nur drei oder vier Tage. An die konnte man aber ein verlängertes Wochenende anhängen– wenn alles gut lief.
Und danach sah es im Moment aus. Der Sechszylinder-Motor des vulkanaschegrauen Aston Martin DB 5, den sie erst kürzlich mit einer Kevlar-Armierung und einer extra starken Kühlung für die eingebaute Bar aufgerüstet hatte, schnurrte friedlich unter der Motorhaube. Britney hatte die Strecke über die A1 nach Norden genommen, obwohl ihr das Navigationsgerät die M6 vorgeschlagen hatte. Aber die Autobahn hätte an Birmingham und Manchester vorbeigeführt, beides Städte, mit denen sie nicht die besten Erinnerungen verband.

Der auf ihre speziellen Bedürfnisse programmierte Bordcomputer spiegelte die aktuellen Reisedaten in die rechte obere Ecke der Windschutzscheibe ein. Mit einer Außentemperatur von 18,5 Grad war der Augusttag ein wenig wärmer als das Jahrhundertmittel. Die Sonnenscheindauer wurde auf 5 Stunden und 46 Minuten geschätzt, anschließend sollte mit einem leichten Nord-Nordost-Wind Bewölkung aufziehen. Die geschätzte Ankunftszeit bei ihrem Zwischenstopp lag bei 17.43 Uhr. Glenmoral würde sie dann morgen gegen 15 Uhr erreichen. Ihre Reservierung einer Suite in der dritten Etage des Prince Blofeld Hotel lautete auf den Namen „Fleming„. Die Legende ihres Alias besagte, dass Fiona Fleming aus einer amerikanischen Bierbrauerdynastie stammte und sich auf einer inzwischen schon vier Monate währenden Rundreise durch England und Schottland befand, bei der sie keine Gelegenheit zu einem spannenden Spielchen ausließ. Das legitimierte sie mehr als genug für die Teilnahme an La Lettras kleinem Turnier im Casino Fatale von Glenmoral.

»Wie steht es um Ihre Scrabble-Kenntnisse, Miss Bitch?«, hatte F gefragt, als sie Britney in ihrem Art Deco-Büro in der vierten Etage von Universal Exports empfangen hatte. Leise, unauffällig und effektiv, wie es seine Art war, hatte Charles Penny-Fox, F’s Vorzimmerfaktotum, einige Scrabble-Landesversionen hereingebracht, nicht ohne Britney dabei kurz zuzuzwinkern – was sie einerseits unverschämt, andererseits aber auch recht anregend fand.

F, die aufgrund einer Gesichtsoperation nach ihrem Einsatz in Teheran wie eine in Würde gealterte Pamela Anderson aussah, hatte sich einen doppelten Balvenie Single Malt eingegossen und war dann war schnell zur Sache gekommen: »Es geht um die letzte Kiste Dalmore 66, gebrannt im Jahre 1936 anlässlich der Abdankung von Edward VIII., abgefüllt 2003.«
Britney meinte sich zu erinnern, dass erst vor wenigen Jahren eine Flasche Dalmore 66 in der Vanderbilt Halle des Grand Central Terminal in New York für einen sechsstelligen Betrag versteigert worden war. »Ich dachte, es gibt nur noch zwei Flaschen davon«, bemerkte sie. »Eine im Keller von Buckingham Palace und eine im Kühlschrank von 10 Downing Street.«
Sie wurde von F mit einem schmalen Lächeln bedacht. »Wir haben diesen Posten Dalmore 66 im Interesse der Nationalen Sicherheit sichergestellt und dem Scottish Whisky Trust übereignet, um die schottischen Nationalisten zu beruhigen. Eine absolut honorige Vereinigung, bis kürzlich ein Wechsel in der Leitung stattfand. Seitdem wird der Trust, der sich der Bewahrung und Pflege des schottischen Selbstbewusstseins widmet, von einer Dame geführt, die sich La Lettra nennt.«

Britney hob eine Augenbraue, und F verzog ein wenig das Gesicht. »Ja, Sie haben sicher schon einmal von ihr gehört: Isabell La Lettravovitsch, genannt La Lettra, 34, geboren in Lettland, ausgebildete Whisky-Sommelière, Barkeeper-Zertifikat Klasse A der Las Vegas Mixing Society, Buchstabierweltmeisterin und Drittplatzierte beim Kreuzworträtselmarathon von Istanbul. Sie hat einmal für uns gearbeitet, in Bagdad, Breslau und Berlin, bis sie aus uns unbekannten Gründen meinte, sich selbstständig machen zu müssen. Seitdem hat sie ein engmaschiges Netz von hochprozentigen Kontakten in aller Welt aufgebaut.«
»Eine Söldnerin!« In Britneys Stimme schwang nur ein Hauch der Verachtung mit, die sie in Wirklichkeit empfand – für Abtrünnige im Allgemeinen und jemanden wie La Lettra im besonderen.

»Um es kurz zu machen«, sagte F, »La Lettra hat ihre Position im Scottish Whisky Trust ausgenutzt, um mit Geldern und Spirituosen des Trusts zu spekulieren. Sie hat dabei aktuell fast alles verloren und muss sich nun auf eine etwas ungewöhnliche Weise refinanzieren, wenn sie das nächste Treffen mit der Führung des Whisky Trusts überleben will. Dazu hat sie ein Scrabble-Turnier im Casino Fatale in Glenmoral angesetzt, das liegt ganz in der Nähe von Alness, dem Sitz der Dalmore Distillery am Ufer des Cromarthy Firth. Als Spieleinsatz bringt sie die letzte Kiste Dalmore 66 aus dem Besitz des Trusts. Ihre Aufgabe, Britney, ist es, bei dem Turnier gegen La Lettra anzutreten und gegen sie zu gewinnen, damit La Lettra ihren Posten beim Scottish Whisky Trust verliert und wir in Besitz des Dalmore 66 gelangen. Wir möchten vermeiden, dass der gute Tropfen in die Hände von irgendwelchen Krauts, Turbanträgern oder kaviarfressenden Oligarchen gerät – was unsere schottischen Brüder in extreme Unruhe versetzen würde. Denn wir können kaum etwas weniger gebrauchen als einen Haufen aufgebrachter Highlander vor den Toren von Balmoral Castle.«




Die Geschichte dahinter
Nun, manchem wird manches bekannt vorkommen - irgendwie. Ist F nicht gleich M und La Lettra nicht womöglich Le Chiffre? Und könnte das Casino Fatale nicht das Casino Royale sein? Das würde bedeuten, dass Britney Bitch eigentlich James Bond wäre? Aber kann eine Frau überhaupt Bond - mal abgesehen vom Bond-Girl?
Wir habe da bei der Whisky-Geschichte mal was versucht... ;-)



Thomas Kastura
Scotch as Scotch can
350 Seiten
Hillesheim: KBV, 2013
ISBN-13:
978-3-942446-89-1