DEUTSCHER KRIMI PREIS
Die Fakten
Die Preise
Preisträger 1985 - 1989
Die besten Krimis des Jahres

x. Deutscher Krimi Preis 2003

National




mike


1. Platz:
Friedrich Ani: Süden und der Straßenbahntrinker 
Jeremias Holzapfel kam auf die Vermisstenstelle, um mitzuteilen, er sei wieder da. Kurios daran ist nur: Niemand hat ihn als vermisst gemeldet! Und so nimmt sich TaborSüden diesem seltsamen Rückkehrer an – und tritt mit ihm eine Reise in eine schmerzhafte Vergangenheit an …

Friedrich Ani: Süden und das Geheimnis der Königin 
Bei den Unterlagen eines Mannes, der in einem scheinbar leer stehenden Haus verhungerte, entdeckt die Kripo den Namen einer Frau: Soraya Roos. Sie wird, nachdem sie von einem Tag auf den anderen ihre Familie verlassen hatte, seit mehr als zehn Jahren vermisst, und Kommissar Tabor Süden beginnt erneut mit der Suche.

Friedrich Ani: Süden und die Frau mit dem harten Kleid
Rudi Tink ist verrückt. Sagen die Leute. Er hockt in seinem Atelier und schafft Skulpturen aus Kalkstein. Figuren, die Frauen aus seiner Nachbarschaft nachempfunden sind. Und eines Tages ist Rudi Tink spurlos verschwunden. Alle scheinen erleichtert. Doch Kommissar Süden findet heraus, dass außer dem Bildhauer auch eine Frau verschwunden ist, offenbar eine enge Freundin Tinks ...
(alle Knaur)

Unter den vielen Gründen, Friedrich Ani den derzeit vielleicht besten deutschen Kriminalschriftsteller zu nennen, will ich drei hervorheben: Seine Plots fallen aus dem Rahmen; er verteidigt die Lebenden gegen die Toten; er schreibt wie Schubert.
Tabor Süden und seine Kollegen vom Münchner Kommissariat 114 klären nicht wie in den meisten anderen Krimis Morde auf, sondern Vermissungen, Vermisstenfälle. Nicht der Tod mit seiner Endgültigkeit steht am Beginn ihrer Ermittlungen, sondern eine offene, verflixt schwer zu klärende Frage: Ist die verschwundene Person tot oder hat sie sich in ein neues Leben davongemacht? So geschah es im Fall Süden und das Geheimnis der Königin: Aus einer unhaltbar verfahrenen und schuldbeladen Situation rettet eine junge Frau sich in ein an-deres Land und Leben.
Wer kennt nicht die Sehnsucht, noch einmal von vorn anzu-fangen, alles hinter sich zu lassen? Von dieser Sehnsucht le-ben die Romane um Tabor Süden.
Doch sie sind keineswegs süßlich-romantisch, und Ani ist auch nicht everybodys darling. Zwar sanft, aber unerbittlich dringen seine Ermittler in seelische Zonen und Zustände vor, die man nur allzu gerne meiden würde. Dort, wo Süden dem verschwundenen Leben nachgeht, ist äußerlich Schwabing oder die Toskana. Im Innern der Menschen aber brodeln Schuld, Hass, Verzweiflung und oft eine Ausweglosigkeit, aus der Mord noch die leichteste Ausflucht wäre.
Es ist dieses – beängstigende und erschütternde - Einfühlungsvermögen, das Anis Bücher weit aus der Masse der gegenwärtigen Verbrechensliteratur heraushebt. Ob wir wollen oder nicht: Ani ergreift uns im Innern, und wir müssen ihm in die Quellgebiete der Gefühle folgen, dorthin, wo sie reine, tödliche oder auch lebensrettende Energie sind.
Dort angelangt, kommt uns die häufig erhobene Forderung eher oberflächlich vor, Kriminalromane oder auch die Justiz sollten nicht so sehr von den Tätern, sondern stärker von den Opfern ausgehen. In den Grenzbereichen, in die Ani, dieser Verführer, uns zieht, verstehen wir plötzlich: Alle Menschen sind Opfer.
(Tobias Gohlis)

 

2. Platz: Martin Suter: Ein perfekter Freund
(Diogenes)

Der Journalist Fabio Rossi erwacht im Krankenhaus mit einer rätselhaften Kopfverletzung und einem totalen Blackout - er kann sich an nichts mehr erinnern. Nur nach und nach gelingt es ihm allmählich, die Vergangenheit zu rekonstruieren. Und was da zum Vorschein kommt, erschreckt ihn zutiefst. Warum bloß hat er seinen Job bei der Zeitung gekündigt? Und was hat es auf sich mit der "ganz großen Sache", an der er angeblich drangewesen ist?

Er ist ein eleganter Stilist, pointiert ist seine Prosa, geschliffen und fein ziseliert sind seine Formulierungen. Wenn der Schweizer Schriftsteller, Journalist und Drehbuchautor Martin Suter seine Geschichten niederschreibt, dann ist da nichts zu viel und nichts zu wenig. Martin Suter, 1948 in Zürich geboren und heute in Spanien und Guatemala lebend, erdenkt und findet zudem wunderbar-lapidare Bilder: "Der Himmel über der Altstadt verdunkelte sich rasch wie ein Glas Wasser, in das ein Tropfen Tusche gefallen war".
So schreibt Suter in seinem Kriminalroman Ein perfekter Freund, der wochenlang die Bestsellerlisten zierte.

Nach Small World und Die dunkle Seite des Mondes ist Ein perfekter Freund der dritte Roman von Martin Suter. Darin erzählt er die Geschichte einer Selbstfindung - für Identitätskrisen hat der Autor ein literarisches Faible - und die eines gesellschaftlichen Skandals. Suters Hauptfigur ist der Journalist Fabio Rossi, der eines Tages im Krankenhaus erwacht und sich an die letzten fünfzig Tage seines Lebens nicht mehr erinnern kann. Er weiß nicht, wer die Blondine an seinem Bett ist, er weiß auch nicht, warum er seinen gut dotierten Zeitungsjob geschmissen hat. Also recherchiert Fabio Rossi sein eigenes Leben - und entdeckt nicht nur sich selbst neu, sondern muss auch erfahren, dass der Genuss von Schokolade nicht nur süße Folgen zeitigt. Jedenfalls dann nicht, wenn sie mit BSE verseucht ist.
Martin Suter erzählt seine exakt recherchierte Geschichte in einem fast beiläufigen Ton, wobei er immer wieder wie selbstverständlich zu jener kleinen Volte findet, die die Spannung und die Erwartung auf das Kommende schürt: Da bewegt sich Martin Suter dann souverän in der klassisch-angelsächsischen Tradition.
Volker Albers (Hamburger Abendblatt) 


3. Platz: Richard Birkefeld / Göran Hachmeister: Wer übrig bleibt, hat recht
(Eichborn)

Winter 1944, irgendwo in Deutschland. In einem Militärkrankenhaus kuriert der SS-Offizier Kalterer eine Schußverletzung aus – und macht sich Gedanken über seine Zukunft. Er weiß, daß der Krieg verloren ist und er das Strafgericht der Sieger zu fürchten hat.

Zur gleichen Zeit nimmt der entflohene KZ-Häftling Ruprecht Haas in Berlin grausame Rache an denen, die er für sein und seiner Familie Schicksal verantwortlich macht. Als sich unter den Mordopfern auch ein hochrangiger Parteigenosse findet, bekommt Kalterer von höchster Stelle den Auftrag, den Fall aufzuklären.


Die Welt im Krieg, eine Stadt im Krieg, Menschen im Krieg. Es sind die letzten Tage des Zweiten Weltkrieges, in denen Birkefeld und Hachmeister ihren Roman ansiedeln, die Stadt ist Berlin. Es sind die Bombennächte und -tage, die die Kriminalgeschichte strukturieren, die die Figuren ein ums andere Mal herumtreiben: aus den Wohnungen in die Keller, aus den Kellern in die Straßen, aus den Straßen in die Vororte und wieder zurück. Eine Kriminalgeschichte in einem Kriegssezenario - das klingt gewagt bis zynisch - und das hätte es auch werden können, wäre da nicht die bestechende Faktentreue der beiden Autoren, mit der sie das Leben - und den Tod - in der zerbombten Stadt schildern. Der Stadt, in der ein einzelner Mann mordet. Nach den landläufigen Vorgaben des Krimis wäre er ein Serienmörder, und der Mann, der ihn jagt wäre ein Held. Doch der Mann, der im zerbombten Berlin des Jahres 1945 mordet, hat einen - kann man sagen "guten"? - Grund. Und dass der Ermittler ausgerechnet zur gefürchteten Geheimen Staatspolizei gehört, ist nur eine weitere der zahlreichen Wendungen des üblichen Krimi-Verlaufs.
Es heißt, wenn Unrecht zu Recht wird, würde Widerstand zur Pflicht - und Göran Hachmeister und Richard Birkefeld gebührt in ihrem ersten gemeinsamen Kriminalroman das Verdienst, vor dem beeindruckend bildstarken Hintergrund diese und andere Fragen anzusprechen - und sie uns, dem Leser, zu stellen. Und dafür, dass sie uns verunsichern, dass sie die Form des Kriminalromans auf ihre ganz eigene Art verwenden, erweitern und ausloten, dafür verdienen sie Anerkennung - und den Deutschen Krimi Preis.
Reinhard Jahn (Bochumer Krimi-Archiv)




International




carre

1. Platz: Robert Wilson: Tod in Lissabon
(A small death in Lisbon)
Deutsch von Kristian Lutze
(Goldmann)


In Lissabon wird ein junges Mädchen ermordet. Bei seinen Ermittlungen stößt Inspektor Zé Coelho auf eine Spur, die weit in die Vergangenheit zurückweist: Einst ging ein deutscher SS-Offizier im neutralen Portugal auf die Jagd nach einem kriegswichtigen Metall - und setzte einen Teufelskreis aus Mord und Erpressung in Gang. Und daher sind neugierige Inspektoren noch heute so manchem offiziellen Würdenträger ein Dorn im Auge...


Eigentlich sind es zwei Geschichten, die Wilson auf den immerhin 580 Seiten von Tod in Lissabon erzählt. Die eine ist eine Mordermittlung im Lissabon der Gegenwart, die andere eine komplizierte politische Intrige und Abenteuergeschichte. Sie beginnt mit dem Versuch der deutschen Nationalsozialisten, sich während des zweiten Weltkriegs im formell neu-tralen Portugal in den Besitz von rüstungswichtigem Wolfram zu setzen und weitet sich aus zu einem Höllenfresko der Salazar-Diktatur.
Grandios spielt Wilson mit den Erwartungen seiner Leser: obwohl von Beginn an feststeht, dass der Mord heute und die Wolfram- und Schwarzgoldgeschichte irgendwie mit einander verknüpft sind, präsentiert er eine Lösung, mit der absolut nicht zu rechnen war. Auf dem Weg dahin legt er Schicht um Schicht finstere portugiesische Vergangenheit und Gegenwart bloß: den Terror der faschistischen Geheimpolizei PIDE, die Verquickung des Salazar-Regimes mit Nazideutschland und internationalen Politverbrechern. Die herrschende Clique des Landes, das sich Wilson übrigens mit seiner Familie zur Wahlheimat gewählt hat, stellt er als gefühlskalte, ehrbeses-sene und raffgierige Bande von Mördern dar. Das Erstaunli-che an diesem Epos, das 1999 mit dem Gold Dagger der Cri-me Writers Association als bester britischer Roman ausge-zeichnet wurde, ist die Souveränität, mit der Wilson alle Klischees umgeht, die bei einem Wälzer von Dumas-Format beinahe unvermeidbar scheinen. Wilson ist ein begnadeter Figu-renzeichner und hält kühl wie Eric Ambler seinen Protagonisten jede Handlungsmöglichkeit offen: Seine Helden und Antihelden machen ihre Geschichte selbst und tragen dafür auch die Verantwortung, bis zum Tod.
Tobias Gohlis (DIE ZEIT)

2. Platz: Ian Rankin: Puppenspiel
(The falls)
 Deutsch von Christian Quatmann

In Edinburgh verschwindet eine Studentin aus den höchsten Kreisen. Und Rebus ahnt, dass man Philippa Balfour nicht mehr lebend finden wird. Als in der Nähe ihres Heimatorts ein kleiner Holzsarg mit einer geschnitzten Puppe auftaucht, scheinen sich seine Befürchtungen zu bestätigen. Denn es ist nicht der erste Sarg - und nicht der erste rätselhafte Todesfall, der mit einem derartigen Fund in Verbindung steht ...

Ian Rankin: Verschlüsselte Wahrheit
(The black book)
Deutsch von Ellen Schlootz
Der Fall wurde nie geklärt: Vor fünf Jahren brannte das Central-Hotel in Edinburgh nieder, und die Ermittlungen verliefen rasch im Sande. Jetzt nimmt Detective Sergeant John Rebus die Fährte wieder auf, denn er gerät an Informationen, die niemals in den Ermittlungsakten auftauchten. Kein Wunder - sie würden einige hochrangige Personen bei der Polizei schwer belasten.
(beide Goldmann)
 
Was macht ein Mann, der sich seine Brötchen bereits als Schweinehirt, Steuereintreiber und Alkoholtester verdiente, um sich unmittelbar mit Erscheinen seines ersten Buches, 1987, an die Spitzen der internationalen Krimi-Bestsellerlisten zu katapultieren?
Er kreiert einen Kerl, 15 Jahre älter als er selbst, mit psychischen Problemen, Bindungsängsten, einer jähzornigen Ader und dem Talent, sich bei Vorgesetzten, Kollegen und Untergebenen unbeliebt zu machen.
Dann gibt er diesem Polizisten nicht nur schlechte Zähne und Rettungsringe mit auf den Weg, sondern auch einen unfehlbaren Instinkt in Verbindung mit schon fast sturer Beharrlichkeit, der ihn nicht nur zielsicher das nächste Pub finden sondern auch Fälle lösen lässt, die bis dato nur von ihm selbst als solche erkannt wurden.
Und, voilà, fertig ist John Rebus, oft schwermütiger, nie aber schwerfälliger Held mit reichlich Fehl und Tadel, dem es im Verlauf seiner bisher fünfzehnjährigen Existenz stets gelungen ist, den Finger dahin zu legen, wo es am meisten weh tut.
In die Skandale, Korruptionsaffären, Serienmorde, großen und kleinen Scheußlichkeiten, von denen man nie geglaubt hätte, dass sie im vermeintlich so beschaulichen Schottland jemals ein Thema sein könnten.
Dabei hat sich der bekennende Büchersammler Rebus stets weiterentwickelt, ist nachdenklicher geworden und auch ein wenig zugänglicher seinen Mitmenschen gegenüber.
Die Figur dieses bockigen, borstigen und beneidenswert beliebten Protagonisten ist so realitätsnah wie seine Fälle sind, und so authentisch, weil er eben alles andere als edel, hilfreich und gut ist. Kein Wunder also, dass Fans wie Kritiker auch nach nunmehr dreizehn Bänden und diversen erfolgreichen Verfilmungen nicht genug von Rebus bekommen können.
Hoffen wir also, dass er noch recht lange Stammgast in der (übrigens tatsächlich existierenden) Oxford Bar in Edinburghs Young Street bleiben wird. Slainté!
Michaela Pelz (krimi-forum.de)


3. Platz: Dennis Lehane: Spur der Wölfe / Mystic River
(Mystic River)
Deutsch von Andrea Fischer
(Ullstein)
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Sean Devine, Jimmy Marcus und Dave Boyle waren in ihrer Kindheit miteinander befreundet - bis zu dem Tag, an dem ein sonderbarer Wagen in ihrer Straße aufkreuzte und einen von ihnen mitnahm. Etwas Schreckliches passierte, das ihre Freundschaft beendete und die drei Jungen für immer veränderte.

Anstelle einer ausführlichen Laudatio auf Dennis Lehane, für Spur der Wölfe (Mystic River), hier ein paar nüchterne Fakten:
- 1995 - wurde "A Drink Before The War" als Best First P.I. Novel mit dem "Shamus Award" der Private Eye Writers of America ausgezeichnet
- 1998 vergab das Nero Wolfe Pack den "Nero Wolfe Award" für "Sacred"
- 1999 erhielt Dennis Lehane für "Gone, Baby, Gone" den "Barry Award" des Deadly Pleasure Magazine und den "Dilys Award" der Independent Mystery Bookseller Association
- und die unabhängige Jury des Bochumer Krimi Archivs sprach Dennis Lehane gleich dreimal in Folge den 3. Platz in der Sparte International zu, und zwar
2001 für "Kein Kinderspiel"
2002 für "Regenzauber"
2003 für "Spur der Wölfe"
Dass sich kurz nach Erscheinen von "Mystic River" im Januar 2001 der Titel bereits auf den meisten US-amerikanischen Bestseller-Listen wiederfand, sollte daher keine Überraschung sein. Damit aber nicht genug: Clint Eastwood persönlich rief den erstaunten Autor gleich nach Erscheinen von "Mystic River" an, um sich die Filmrechte an diesem Thriller zu sichern!
Um seine Schreibweise, die exellente Stilsicherheit und perfekte Plotgestaltung zu beschreiben, sei hier Lehane selbst zitiert: "Character is action, the oldest law of writing. Plot is just a vehicle in which you see them act".
Besten Dank, Dennis Lehane, für Ihre Angie Gennaro & Patrick Kenzie-Serie (die Sie hoffentlich bald weiterführen werden) und herzliche Gratulation zum 3. Platz des Deutschen Krimi Preises für "Spur der Wölfe" in der Sparte International!
Thomas Przybilka (BoKas - Bonner Krimi-Archiv Sekundärliteratur)


BESONDERE ANERKENNUNG

Eine besondere Anerkennung spricht die Jury dem Distel-Literaturverlag Heilbronn für die Werkausgabe des französischen Autors Jean-Patrick Manchette aus.

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In einer Zeit, in der gigantische Verlagsfusionen Orwells Albträume wahrscheinlicher werden lassen, sind die kleinen Verlage das Salz in der Suppe. Sie veröffentlich und pflegen unter hohem Einsatz Autoren, die ohne die kleinen Verlage kaum Chancen hätten, und halten ästhetische Alternativen ge-gen den Mainstream offen.

Deshalb war es eine folgerichtige Entscheidung der Jury des Deutschen Krimipreises, in diesem Jahr erstmals einen dieser kleinen innovativen Verlage besonders zu ehren, ohne die unsere literarische Kultur wesentlich ärmer wäre.
Unter allen ehren- und lobenswerten Kandidaten war es diesmal der Heidelberger Diste-Literaturverlag, der symbolisch die Palme der Unabhängigen erhält.

Seit seiner Gründung 1999 importiert er den neuen Kriminalroman aus dem französischen und spanischen Sprachraum. Freche und irritierende Stimmen wie Jean-Bernard Pouy, Chantal Pelletier oder Didier Daeninckx, wie Joaquín Baquero, Rolo Diez oder Jordi Sierra i Fabra würden hierzulande gar nicht oder nur wesent-lich schlechter vernommen, gäbe es den DistelLiteraturVerlag nicht.

Doch ausschlaggebend für die Jury war die verlegerische Leistung, das Romanwerk des jung verstorbenen Jean-Patrick Manchette in einer neuen, zeitgemäßen und literarisch au-thentischen Übersetzung wieder zugänglich zu machen. Denn Manchette ist ein literarisch hoch interessanter Autor. Er versuchte nämlich, seine spannenden, brutalen und hoffnungslo-sen Geschichte so zu erzählen, dass der Leser einerseits mit-gerissen wird, andererseits aber doch skeptisch bleibt und nie vergisst, dass ihm etwas vorgemacht wird. Doch hochaktuell und wie für unsere Tage geschrieben lesen sich die zwischen 1971 und 1981 entstandenen Thriller, weil Manchette darin seinem Zweifel an rechten wie linken, religiösen und pseudo-religiösen Erlösungsideologien radikalen Ausdruck verleiht. Ob Menschenrechtler oder Menschheitsbeglücker, ob Freiheitskämpfer oder Staatsterroristen – der Jazzfan und Klaus-trophobiker Manchette zeichnet sie alle als gierige, abgefeimte Beutelratten, denen man umso mehr misstrauen muss, je lauter sie von Moral, Gott und Staatsräson tönen.


Unser Dank gebührt Marion von Hagen, der mutigen Verlegerin, und den beiden Übersetzern Stephan Linster und Christina Mansfeld, die uns den Blick in den schwarzen Spiegel Manchette ermöglicht haben.
Tobias Gohlis (DIE ZEIT) 


 www.deutscher-krimipreis.de