DEUTSCHER KRIMI PREIS
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Preisträger 2010 - 2014
Die besten Krimis des Jahres

26. Deutscher Krimi Preis 2010


National


ritzel
ani
juretzka

1. Platz: Ulrich Ritzel: Beifang
(btb)

Der ausgediente Kriminalbeamte Hans Berndorf bekommt den Auftrag, private Ermittlungen zu dem Mord an einer jungen Frau zu führen, deren Ehemann als anscheinend bereits überführter Täter in Ulm vor Gericht steht. Doch als Berndorf eintrifft, ist sein Auftraggeber- der Verteidiger des Angeklagten- tot, auf dem Hauptbahnhof von einem Güterzug überrollt. Hat er Selbstmord begangen oder ist er vor den Zug gestoßen worden? Das ist nicht die einzige Frage, vor der Berndorf steht. Vor seinem Tod war der Anwalt wiederholt in heftige Auseinandersetzungen mit dem Vorsitzenden Richter geraten, weil ein seiner Ansicht nach für das Verfahren entscheidendes Beweisstück spurlos verschwunden ist: ein Schmuck, den die ermordete junge Frau getragen hatte. Dieser Schmuck - eine Goldkette mit einem breiten Ring, auf dem in Miniatur das biblische Motiv des Sündenfalls eingearbeitet war - führt Berndorf weit über seinen ursprünglichen Auftrag hinaus...

Es gibt noch eine Menge Gründe, die für diesen meisterhaften Kriminalroman sprechen. Zuerst einmal ist das Buch spannend – und zwar nicht, weil es einen Cliffhanger an den anderen reiht, sondern weil es den Leser ständig und spielerisch herausfordert, den verdeckten Beziehungen zwischen den Figuren nachzuspüren und den Verästelungen des mit äußerstem Geschick aufgezogenen Doppelplots zu folgen. Zum anderen wird die Wirklichkeitsnähe dieses Plots nicht bloß behauptet. In Ritzels subtiler Beschreibung des diskreten Umgangs von Politik und Polizei wird auf einmal klar, in welchen Schattierungen Vorteilsnahme, Bestechung und Erpressung nicht nur hierzulande funktionieren.

Und schließlich ist der „Beifang“ außerordentlich gut geschrieben. Da entwickelt sich anfangs manches so, wie es der Krimifan erwartet, aber dann schwenkt die Geschichte in eine Richtung, die ganz neue Perspektiven eröffnet – um dann am Ende doch wieder zu ihrem Ausgangspunkt zurückzukehren. So, wie eine Geschichte eben erzählt werden muss
Reinhard Jahn (FOCUS online)


2. Platz:  Friedrich Ani: Totsein verjährt nicht
(Zsolnay)

Am 8. April 2002 wird die achtjährige Scarlett Peters zum letzten Mal gesehen. Drei Jahre danach wird Jonathan Krumbholz, ein vierundzwanzigjähriger, geistig zurückgebliebener Mann, wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Sechs Jahre später bekommt Polonius Fischer, Kommissar bei der Mordkommission in München, von einem Schulfreund der Verschwundenen einen Brief. Er will Scarlett auf der Straße erkannt haben. Ist dem Zeugen zu trauen? Ist Scarlett gar nicht tot - obwohl ihre Mutter für sie ein Grab auf dem Neuen Südfriedhof gekauft hat? Hat die Polizei sich geirrt? 

»Totsein verjährt nicht« ist ein Friedrich-Ani-Roman mit all dessen Stärken. Proppenvoll mit Geschichten, die mit absolut genauem Blick für die unschicken Milieus erzählt sind; mit dem Risiko zur Emotion (nicht zur Sentimentalität), mit brillant konturierten Figuren. Ein ausgefuchster Kriminalroman ohne hysterischen Plot; eine ganz normale Tragödie im ganz normalen Irrsinn. So macht Kriminalliteratur Freude.
Thomas Wörtche 


3. Platz:  Jörg Juretzka: Alles total groovy hier
(Rotbuch)

In seinen bisher erschienenen Krimis um die Abenteuer des Revier-Schnüfflers Kristof Kryszinski (Freunde dürfen ihn Krüschel nennen) hat sich der Mülheimer Autor Jörg Juretzka  als wahrer Meister des knappen Dialogs, der sarkastischen Pointe und des  mitunter melancholischen Weltblicks erwiesen. Sein aktuelles Abenteuer führt Krüschel mit seinem Biker-Kollegen Scuzzi an einen gottverlassenen spanischen Küstenstreifen. Sie sollen und wollen für die Biker-Gang der Stormfuckers ihren Kollegen Schisser zurückholen, und die 180.000 Euro, mit denen er nach Spanien gefahren war, um irgendwo eine kleine Ranch zu kaufen,wo die Stormfuckers in Ruhe Bier trinken und Dope anbauen können.
Was Krüschel und Scuzzi zunächst finden: eine abgerockte Kommune von Spät-Hippies in einem verkommenen Trailerpark in der Nähe einer malerischen Bucht. »Alles total groovy hier« murmelt Scuzzi, alles total strange, überzeichnet bis ins comedyhafte, denkt man.
Doch das ist nur die halbe Geschichte. Die andere Hälfte ist schlimm, grausam, blutig. Ihr Freund Schisser ist tot, das finden Krüschel und Scuzzi bald heraus, das Geld verbrannt. Krüschel entdeckt bald, dass Schisser sterben musste, weil er etwas sah, was er nicht hätte sehen sollen. 

Als einer der besten deutschen Krimi-Autoren nimmt Jörg Juretzka sich nicht nur das Recht, sondern stellt sich der Pflicht, den alten Chandler-Marlowe weiterzudenken.
Acht Krüschel-Krimis hat Jörg Juretzka in den letzten elf Jahren geschrieben, Big Ray hat es scharf gerechnet nur auf sieben Marlowe-Romane gebracht. Was das heißt? Dass Juretzka schon weiter ist, als Chandler jemals kam. Dass er auf eigenen Füßen steht und es nicht mehr nötig hat, sich das Etikett vom »Chandler des Ruhrgebiets« anpappen zu lassen. Dieser Mann steht und geht auf eigenen Füßen. Durch diese düsteren Straßen, durch die ein Mann gehen muss.
Reinhard Jahn (Focus-Online)




International


peace
smith
DeutscherKrimipreis für Ken Bruen

1. Platz: David Peace: Tokio im Jahr Null
(Tokyo Year Zero)
Deutsch von Peter Torberg
(Liebeskind)

Tokio, 1946: die Hölle auf Erden. Die Stadt liegt in Trümmern, ebenso wie die Seelen ihrer Bewohner. Es herrschen Angst und Korruption, niemand ist der, der er zu sein vorgibt. Inmitten der Schuttberge geht ein brutaler Serienmörder um, der junge Frauen missbraucht und erdrosselt. Die Polizei verhaftet schnell einen Verdächtigen, der aber nur einen der Morde gesteht. Inspektor Minami ist gezwungen, ältere Fälle neu aufzurollen, um den Täter zur Strecke zu bringen. Doch dabei verstrickt er sich in einem Netz aus Lügen und nackter Gewalt. Die Machenschaften des organisierten Verbrechens werden für ihn zur tödlichen Gefahr, genau wie die Intrigen innerhalb des Polizeiapparats. Langsam zerfließen die Grenzen zwischen Wahn und Wirklichkeit, und die Taten der Vergangenheit kommen ans Tageslicht. Denn auch auf Minamis Schultern lastet eine schwere Schuld.

Das Tokio des Jahres Null erscheint als eine einzige Apokalypse auf Erden. Regen, Blut und Vergewaltigungen überall und dazwischen ein Inspektor, der im Krieg selbst an Verbrechen beteiligt war. Nein, »Tokio im Jahre Null« ist keine leichte Lektüre. Aber eine faszinierende: Eine machtvolle Demonstration zu was Sprache im Stande ist. 
Andreas Ammer (DLF/ARD)



2. Platz:  Roger Smith: Kap der Finsternis
(Mixed Blood)
Deutsch von Jürgen Bürger und Peter Torberg
(Tropen bei Klett Cotta)

Kapstadt, Südafrika: Eine Luxusenklave der Oberschicht mit Blick auf Ozean und Tafelberg. Benny Mongrel bewacht mit seinem alterschwachen Hund, den er sehr mag, einen protzigen Rohbau in diesem sehr elitären Viertel. Am frühen Abend fällt ihm ein tiefer gelegter roter BMW auf. Offensichtlich eine Gangsterlimousine aus den Slums der Cape Flats, den Elendsquartieren der Coloured People. Die Insassen rauchen Dope und betreten dann die Luxusvilla, vor der sie parken, offenbar in mörderischer Absicht. Mongrel sieht kein Veranlassung, aktiv zu werden, denn es handelt sich schließlich um Weiße. Mongrel gehörte jahrzehntelang zu den farbigen Gangs der Cape Flats. Dieser Job nach jahrzehntelanger Haft ist sein erster nicht krimineller Beruf.
Am nächsten Abend ist sein Erstaunen groß: Der rote Gangster-BMW steht immer noch da, und die Familie der Luxusvilla hat anscheinend den Überfall überlebt. Genauso baff: Ein fetter burischer Bulle mit zwei Leidenschaften: Der Glaube an Jesus Christus und das Töten von Farbigen. Der Name des Cops: Rudy Gatsby Barnard, der seit Jahren die Slums Kapstadts ökonomisch abgreift. Die Gangster im roten BMW, der vor der Luxusvilla parkt, schuldeten ihm Geld. Auf sein Klingeln öffnet der Hausherr der Luxusvilla. Ein Amerikaner, der mit schwangerer Ehefrau und kleinem Sohn für zwei Jahre das Anwesen gemietet hat.
Barnard riecht Nervosität und sehr viel Geld. Zu Recht: Denn Burns, der US-Mieter, steht auf der Liste der meistgesuchten Bankräuber Amerikas.

Die Welt – ein Ort der Verzweiflung, so die Botschaft dieses Meisterwerks. Seit James Ellroy hat keiner mehr so radikal die Ausweglosigkeit menschlichen Strebens formuliert. Fürwahr ein Meilensteins des Noir.
Manfred Sarrazin (Krimibuchhandlung ALIBI)


3. Platz:  Ken Bruen: Jack Taylor fliegt raus
(The Guards)
Deutsch von Harry Rowohlt
(Atrium)

Als Polizist lauert Jack Taylor nur mit einer Thermoskanne voll Brandy mit einem Schuss Kaffee bewaffnet Verkehrssündern auf. Als ein schwarzer Mercedes an ihm vorüberrauscht, hält er den Wagen an. Das Rückfenster gleitet nach unten. Auf der Bank sitzt ein hoher Regierungsbeamter des Finanzministeriums. Und Jack schlägt zu.
Daraufhin fliegt Taylor raus. Und macht als Privatdetektiv weiter. Er bezieht sein neues Büro im Grogan's, dem einzigen Pub in Galway, in dem er noch nie Hausverbot hatte. Eigentlich ein ernsthafter Ort für ernsthaftes Trinken. Doch schon bald hat Jack seinen ersten Fall an der Backe.

Was Bruen uns vorsetzt, ist düster, böse und zynisch, ein verbitterter Blick einer von Wut, Verzweiflung und Alkohol durchtränkten Person, die das Vertrauen in die Menschheit größtenteils verloren hat. Ein Rest von Moral hält Jack Taylor zusammen – ein Rest von Moral, den er im Irland kurz nach der Jahrtausendwende nicht mehr erkennen kann. Er bleibt aber auf der Suche. Tief am Boden. Von Whiskygläsern und Pints.
Lars Schafft (krimi-couch.de)



Die Jury:
Kritiker: Volker Albers (Hamburger Abendblatt) / Andreas Ammer (ARD) / Sönke Boldt (Badische Neueste Nachrichten) / Jens Dirksen (Mediengruppe WAZ) / Joachim Dörr / Joachim Feldmann (Am Erker) / Tobias Gohlis (DIE ZEIT) / Günther Grosser (Berliner Zeitung) / Reinhard Jahn (Bochumer Krimi Archiv) / Hermann Kling / Alf Mayer / Ulrich Noller (WDR/DW) / Michaela Pelz (krimi-forum.de) / Wilhelm Roth (epd) / Lars Schafft (krimi-couch.de) / Jan Christian Schmidt (kaliber38.de) / Erhard Schütz / Sylvia Staude (Frankfurter Rundschau) / Willy Theobald (Financial Times Deutschland) / Jürgen M. Thie / Bettina Thienhaus / Karl Wegmann (freier Journalist) / Thomas Wörtche

Krimi-Buchhandlungen: Jutta Wilkesmann (Die Wendeltreppe, Frankfurt Main) / Manfred Sarrazin (Alibi, Köln) / Monika Dobler (Glatteis, München) / Christian Koch (Hammett, Berlin) / Thomas Przybilka (Missing Link) / (Robert Schekulin (Buchhandlung Am Schwarzen Kloster, Freiburg) / Juliane Hansen (Under-Cover, Stuttgart) / Cornelia Hüppe-Binder (Miss Marple, Berlin) /Hans W. Kohlmann (Whodunnit, Leipzig)

 www.deutscher-krimipreis.de